Das revidierte Erbrecht
„Das revidierte Erbrecht gewährt mehr Verfügungs-Freiheit über den eigenen Nachlass.“
Beraterecke vom 27.05.2022
Die Anzahl der Konkubinats Paare und Patchwork-Familien in der Schweiz, hat zugenommen. Unverheiratete Lebenspartner oder auch Stiefkinder bei einer Wiederverheiratung, sind von Gesetzes wegen nicht erbberechtigt. Mit der Revision des Erbrechts, wird sich an den gesetzlich Erbberechtigten weiterhin nichts ändern. Die Erbfolge bleibt wie bis anhin. Neu wird der Pflichtteil, welcher sich auf die gesetzliche Erbquote bezieht, für Eltern und Kinder reduziert. Der gesetzliche Pflichtteil für eigene Kinder, welcher bis anhin ¾ betrug, wird ab dem 01.01.2023 auf ½ des gesetzlichen Erbteiles gekürzt. Zudem entfällt der Pflichtteil von ½ der gesetzlichen Quote, der den Eltern zusteht (relevant beim Fehlen von Kindern). Somit gibt es keine Pflichtteile von Kindern an ihre Eltern mehr. Diese Reduktionen führen dazu, dass ein Erblasser über eine höhere freie Quote verfügt. Mit einem Testament oder Erbvertrag kann er deutlich weitreichender über seinen Nachlass bestimmen. In der Konstellation eines Ehepartners mit gemeinsamen Kindern, betrug die freie Quote bisher 3/8, neu werden es 4/8 sein. Somit kann die Hälfte des Nachlasses frei zugewiesen werden (z.B. zusätzlich zum Pflichtteil an den Ehegatten, die Kinder oder an Dritte).
Mit dem revidierten Erbgesetz wird es nun möglich, in einer späteren Lebensphase im Konkubinat zu leben und seinen Partner trotzdem besser zu begünstigen.
Eine Begünstigung des Konkubinats-Partners (keine gemeinsamen Kinder) kann, ohne zu sehr die eigenen Kinder zu benachteiligen, zum Beispiel über eine Vor- und Nacherbschaft geregelt werden. Der Lebenspartner erhält vorab als Vorerbschaft einen höheren Erbteil. Dieser geht jedoch nach dessen Ableben als Nacherbschaft an die eigenen Kinder zurück. So fällt es nicht in die Erblinie des nicht verheirateten Lebenspartners.
Auswirkungen in Erbverträgen
Erbverträge sind gegenüber Testamenten bindender, da diese weniger einfach geändert werden können. Heute kann ein Erblasser lebzeitig frei über die versprochene Erbmasse verfügen. Vom versprochenen Vermögen kann deshalb bis zum Tod des Erblassers einiges weggegangen sein, es sei denn, man habe Schenkungen im Erbvertrag untersagt. Neu soll ein umgekehrter Grundsatz gelten: im Erbvertrag zugesprochene Vermögenswerte dürften lebzeitig nicht verschenkt werden. Wollte man dies dennoch zulassen, so wäre es im Erbvertrag festzuhalten. Man stelle sich etwa vor, dass ein Erblasser aus persönlichen Gründen gezwungen war, die versprochenen Vermögenswerte bereits lebzeitig zu verbrauchen.
Das neue Recht gilt auch für bereits bestehende Erbverträge. Daher sollten diese eventuell überprüft werden. Auch in der Landwirtschaft und bei Betriebsübergaben werden vereinzelt Erbverträge abgeschlossen, etwa wenn ein Hof kein Landwirtschaftliches Gewerbe darstellt, und dennoch infolge Selbstbewirtschaftung begünstigt an einen Nachkommen zum Ertragswert statt Verkehrswert abgetreten wird. Ein Erbvertrag hilft hier, die spätere Erbteilung zu klären und den Hofübernehmer zu schützen. So werden manchmal den Geschwistern des Übernehmers aus Gleichbehandlungsgründen andere Vermögenswerte zugesprochen.
Auswirkungen auch in der Landwirtschaft (d.h. auf das bäuerliche Bodenrecht) (ein Beispiel zur Veranschaulichung)
Das Erbrecht und das bäuerliche Bodenrecht stehen in einem Zusammenspiel und ergänzen sich. Es ist daraus ableitbar, dass sich die Veränderung im Erbrecht auf das Bodenrecht auswirken kann, wenn auch nur in sehr geringem Masse. Beispielsweise waren bei einem verheirateten Hofübernehmer (ohne eigene Kinder), bisher bei seinem Versterben sowohl der überlebende Ehegatte als auch die Eltern Pflichtteils-Erben. Beide Parteien waren deshalb im Bodenrecht bezüglich einer Zuweisung des Hofes gleich berechtigt (Art. 20 BGBB). Da die Eltern neu als Pflichtteils-Erben wegfallen, sind sie in dieser Konstellation gegenüber dem überlebenden Ehegatten nicht mehr gleichberechtigt, sondern werden nachgestellt (eine sehr seltene, aber mögliche Konstellation). Auch mit Testament kann man die Eltern zukünftig übergehen (Art. 19 BGBB).
